LIFE-Projekt „Grünlandentwicklung zum Schutz gefährdeter Wiesenvögel im EU-Vogelschutzgebiete Unterer Niederrhein”
Ministerium fü Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
European Commission - Environment - LIFE Programme
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22.06.2021 - „Die Wiesenvögel brauchen uns mehr denn je“ – Projektleiterin Susanne Klostermann im Gespräch zu den aktuellen Entwicklungen in der Düffel. 

Das Wichtigste zuerst: Wie geht es den Wiesenvögeln in der Düffel?

Was die Uferschnepfe angeht, muss ich leider „schlecht“ antworten. Der einst große Bestand mit NRW-weiter Bedeutung ist in der Düffel auf einen kleinen Rest zusammengeschrumpft. Das Aussterben der Art ist zu befürchten, wie das bereits bei der Bekassine passiert ist, wenn jetzt nicht konsequent Maßnahmen zum Bestandserhalt umgesetzt werden können. Die Bekassine, eine Art der nassen Wiesen, ist ja schon länger als Brutvogel im Gebiet ausgestorben.

Anders sieht es beim Großen Brachvogel aus, dessen Bestand sich in den vergangenen zehn Jahren bei rund 20 Brutpaaren eingependelt hat. Diese Art ist weniger auf feuchte und nasse Bereiche angewiesen und profitiert von dem zunehmenden Angebot an wiesenvogelgerecht bewirtschafteten Flächen in der Düffel und den übergreifenden Bemühungen zum Gelegeschutz. Wir befürchten aber bei dieser Art, dass nicht genug Jungvögel flügge werden, um den Bestand langfristig zu erhalten.

Die Entwicklung beim Kiebitz ist differenziert zu betrachten: Durch die gemeinsamen Anstrengungen zum Gelegeschutz der Akteure in der Düffel – Landwirte, Kreis und Naturschutz – konnte der Kiebitz trotz der vergangenen Dürrejahre einigermaßen in seinem Bestand gehalten werden. Dafür nimmt die früher fast überall häufige Art außerhalb der Schutzgebiete stark ab.

Von den neu angelegten offenen, schlammigen Uferbereichen und der eingerichteten Bewässerung im Projekt hat am deutlichsten der Rotschenkel profitiert. Die Art konnte dadurch in der Düffel auf einem zwar sehr niedrigen, aber gleichbleibendem Niveau stabilisiert werden.

Was macht der Uferschnepfe genau zu schaffen?

Weil die Uferschnepfen auf Flächen mit feuchten, stocherfähigen Böden und ihre Küken auf blütenreiches Grünland angewiesen sind, haben der Population in der Düffel und anderswo in Nordrhein-Westfalen die Dürrejahre sehr geschadet. Weniger Paare sind zur Brut geschritten und viele Vögel sind vorzeitig nach Afrika zurückgeflogen.

Als Folge der Dürre haben aktuell außerdem Mäuse im Grünland stark zugenommen – und damit auch der Fuchs. Deshalb war die Uferschnepfe auf Flächen ohne Schutzzaun auch stark von Prädation betroffen.

Und wie sieht es beim Großen Brachvogel aus?

Die Art brütet viel verteilter im Gebiet und bewegt sich deutlich weiträumiger zur Nahrungssuche als die drei anderen Arten. Diese brüten sowieso tendenziell enger zusammen. Wegen des Rückgangs geeigneter Brutflächen „brüten sie nun noch dichter in kleinen Gruppen nebeneinander“.

Darüber hinaus ist der Große Brachvogel von allen vier Arten am wenigsten auf feuchte Bereiche angewiesen, profitiert aber wesentlich von wiesenvogelgerecht bewirtschafteten Naturschutzflächen, in deren Umfeld die Art häufig brütet.

Aber alle Wiesenvögel in der Düffel und in NRW brauchen unsere Schutzbemühungen mehr denn je.

Warum genau brauchen uns die Wiesenvögel so sehr?

Die Arten, die in der Düffel brüten, kommen abgesehen vom Kiebitz in Deutschland fast ausschließlich nur noch in Schutzgebieten im Nordwestdeutschen Raum vor. Und wie wir es bei den anderen Arten schon erlebt haben, nimmt der Bestand des Kiebitz‘ außerhalb der Schutzgebiete in den letzten Jahren ebenfalls sehr stark ab.

Es wird immer schwieriger, wenn die Bestände so konzentriert und klein sind, dass sie durch ein besonderes Ereignis sehr gefährdet werden können. Das kann so etwas wie die vergangenen Dürrejahre sein, Flächenverluste oder mehr beziehungsweise neue Feinde im Gebiet. Dazu gehören auch solche Vorhaben, wie das Jagdverbot auf Große Brachvögel in Frankreich aufzuheben, und und und…

Was ist zu tun?

Um überhaupt kleine, überlebensfähige Populationen aller vier Arten in den Schutzgebieten zu erhalten, braucht es größere Anstrengungen als bisher. Dazu gehört insbesondere, den Bodenwasserhaushalt zu verbessern. Davon könnte auch die Landwirtschaft in trockenen Sommern profitieren.

Das ist keine leichte Aufgabe! In unseren Köpfen – besonders hier in der Auenniederung – hielt sich viel zu lange die Vorstellung, dass das Wasser weg muss. Die Niederlande macht es uns aber schon lange und jetzt verstärkt vor, wie der Wasserhaushalt großer Gebiete geschickt gemanagt werden kann.

Was ist in Sachen Wasserhaushalt für die Düffel genau geplant?

Nachdem im letzten Herbst in einem der drei Schwerpunkträume für Wiesenvögel in der Düffel bereits sechs Flachwassertümpel angelegt wurden, planen wir für den nächsten Herbst die Anlage von weiteren Senken in den beiden anderen Wiesenvogel-Schwerpunkträumen. Daneben sollen aber auch zu steile Ufer an bereits bestehenden Gewässern  abgeflacht werden.

Nicht zuletzt hat sich die bestehende aktive Bewässerung als sehr erfolgreich erwiesen. Deshalb soll eine weitere Bewässerungsmaßnahme auf einer bei Wiesenvögeln sehr beliebten Fläche umgesetzt werden. Diese Fläche wird leider derzeit durch angrenzende sehr tiefe Gräben massiv entwässert.

Welche Vorhaben gibt es noch für das Gebiet?

Wir planen den Einbau von Stauen in Binnengräben in einem Wiesenvogel-Schwerpunktraum  innerhalb des Naturschutzgebiets Düffel. So können wir großräumiger winterliches Oberflächenwasser zurückhalten und bis weit in den Frühling hinein den Bodenwasserhaushalt verbessern.

Zudem sollen dort mehrere steile Grabenufer abgeflacht werden, so dass sie keine Todesfallen mehr für Wiesenvogelküken darstellen.

Die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft ist essentiell im Wiesenvogelschutz. Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit mit den Landwirten vor Ort?

Unsere Pächter leisten bei der wiesenvogelgerechten Bewirtschaftung der Naturschutzflächen eine tolle Arbeit.

Einer unserer Pächter hat sogar in Eigenarbeit einen zusätzlichen Flachwassertümpel erstellt. Für den Naturschutz ein absoluter Glücksfall, denn die Fläche mit der Senke hat sich zusammen mit der benachbarten Privatfläche mittlerweile zu einem Kiebitz-Hotspot in der Düffel entwickelt – 2021 mit mehr als 23 Gelegen auf neun Hektar. Gefördert wurde diese Entwicklung durch den Schutzzaun, durch den diese beiden Flächen seit 2020 geschützt werden. Wir sind den beiden Landwirten für ihren Einsatz sehr dankbar.

Trotzdem besteht das Problem, dass wir in Sachen Bodenwasserhaushalt immer noch weitgehend auf der Stelle treten. Hier ist dringend ein Gesamtkonzept für die ehemalige Auenniederung Düffel erforderlich.

Die EU hat einer Projektverlängerung zugestimmt. Was heißt das?

Die Projektfortschritte und die breite Unterstützung von verschiedenen Akteuren – den  Umweltministerien des Bundes und des Landes und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz – konnten die EU davon überzeugen, dass es im Projekt vorangeht und dass die für die Wiesenvögel erforderlichen Maßnahmen in den nächsten Jahren umgesetzt werden können.

Nach wie vor sind wir der Meinung, dass auf 3.800 ha Düffel-Landschaft Platz für alle besteht: für die produzierende Landwirtschaft und auch für die Wiesenvögel und andere Pflanzen und Tiere, die den Artenreichtum hier im EU-Vogelschutzgebiet „Unterer Niederrhein“ ausmachen.

Danke für das Gespräch.

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